Manchmal sind Dinge schon immer da gewesen, aber man weiß gar nicht, was das eigentlich ist. Bei mir war das Possehl. Der Name begleitet mich seit meiner Kindheit. Mein Opa hat bei Possehl gearbeitet und zu Weihnachten bekam er immer einen Kasten voll Marzipan geschenkt.
Später, als ich in der Innenstadt zur Schule ging, ist mir das Logo immer mal wieder irgendwo begegnet. Und dann fielen mir an einigen Häusern rechteckige Plaketten auf. Gefördert durch die Possehl-Stiftung. Aber so richtig hinterfragt was das ist, habe ich das damals nicht.
Vielleicht ist dir solch eine Plakette auch schon mal aufgefallen. Man findet sie an vielen Häusern der Lübecker Altstadt. Manchmal sind Jahreszahlen darauf, die verraten, dass die Possehl-Stiftung schon viele Jahre dabei hilft, Altstadthäuser zu erhalten.
Ich dachte immer, es wäre „nur“ eine sehr große Lübecker Firma. Weit gefehlt: Possehl ist sehr viel mehr und sehr viel größer als gedacht. Possehl ist einer der wichtigsten Förderer Lübecks für Kunst, Kultur und Stadtbild, kurz „alles Gute und Schöne“.
Ein Konzern, der Gutes tut.
Die L. Possehl & Co. mbH hat mehr als 13.000 Mitarbeiter in 180 Firmen und erwirtschaftete 2019 etwa 4 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Die Firma besitzt keine eigenen Produkte und das Unternehmen kennt kaum jemand, denn es erscheint so gut wie nie in den Medien.
Der Firmensitz liegt im Herzen der Lübecker Altstadt. In der Beckergrube, wenige Meter vom Theater entfernt. Zum Unternehmen gehören Firmen für Reinigungstechnik, Druckmaschinenhersteller, Elektronik, Etikettiermaschinen, Miniglühlampen und vieles mehr.
Die Gewinne dieses riesigen Gemischtwarenkonzerns fließen in den Kauf neuer Mittelstandsfirmen und natürlich der Possehl-Stiftung. Genau diese Stiftung kümmert sich in Lübeck darum, dass das Geld in „alles Gute und Schöne“ fließt.
Wie es dazu gekommen und was daraus alles entstanden ist und noch immer entsteht, erzähle ich dir jetzt.
Was ist eigentlich Possehl?
Alles auf Anfang.
Ludwig Possehl eröffnete 1847 seine Eisen‑, Blech- und Kohlenhandlung L. Possehl & Co. in Lübeck. Er heiratete 1849 Mathilde von Melle, die Tochter einer alteingesessenen Lübecker Familie. 1850 bekamen sie mit Emil Possehl ihr erstes Kind, der das Handelsunternehmen 1873 vom Vater übernahm und daraus ein Stahlimperium machte.
Als Erzhändler belieferte er die deutsche Eisen- und Stahlindustrie mit seiner Ware. Er besaß eigene Schiffe für den Transport aus den überwiegend skandinavischen Erzgruben. Kaufte Fabriken für Sensen, Hufeisen und ‑nägel. Besaß ein Stahlwerk und hatte Verbindungen in die ganze Welt.
1873 verliebt sich Emil Possehl in die Schauspielerin Wilhelmine Schönherr, die in Lübeck ein Gastspiel gibt. Als damals reichster Mann Lübecks behandelt Possehl die Beziehung der beiden sehr diskret, wann die Hochzeit stattfand, ist nicht bekannt. Die Ehe der beiden blieb jedoch kinderlos.
Tue Gutes.
Emils wirtschaftlicher Erfolg half ihm, Gutes zu tun. Er übernahm Ehrenämter, förderte kulturelle und soziale Projekte in Lübeck. Als Mitglied des Lübecker Senats setzte er sich für die Entwicklung und den Ausbaus der Lübecker Verkehrsstruktur ein. Auch der Elbe-Lübeck-Kanal gehört dazu. Nicht ganz uneigennützig, denn Verkehrswege sind ein Grundstein für wirtschaftliches Wachstum.
1915 beginnt Emil Possehl seine Firma umzustrukturieren und legt damit den Grundstein zur heutigen Holding. Er setzt sein Testament auf und verteilt sein Vermögen auf seine Frau und seine Adoptivtochter, die damit ein angenehmes Leben führen können. Auch die restlichen Familienmitglieder werden im Testament und einer Familien-Stiftung bedacht. Vier Jahre später stirbt Emil.
„Die Förderung alles Guten und Schönen in Lübeck.“
Das restliche Vermögen fließt in die Possehl-Stiftung, die „der Förderung alles Guten und Schönen“ dienen soll. Darunter fallen:
- die Verschönerung der Stadt Lübeck und ihrer öffentlichen Anlagen
- Unterstützung gemeinnütziger städtischer Einrichtungen, insbesondere solcher, die sich der Jugendförderung widmen
- Förderung von Kunst und Wissenschaft
- Förderung von Handel, Schifffahrt, Industrie und Gewerbe zur Ausbildung Jugendlicher
- Förderung der Wohlfahrt, insbesondere für Kriegsinvaliden und ‑hinterbliebene
Was ist gut und schön?
Was mit gut und schön gemeint ist, lässt sich pauschal nicht beantworten und hat sich in den vergangenen 100 Jahren natürlich verändert. Eine der Aufgaben der Stiftung ist es, die Vorstellungen Emil Possehls in unsere Zeit zu übersetzten. Also: Was würde Emil heute fördern?
Aus seinen Förderungen zu Lebzeiten und seinem Testament hat man einige Anhaltspunkte. Hätte Emil Possehl nicht das Geld für das Grundstück in der Beckergrube zur Verfügung gestellt, würde es das Theater heute vielleicht nicht geben.
Viele Häuser der Lübecker Innenstadt verdanken der Förderung durch die Possehl-Stiftung ihren Erhalt oder Neubau.
Über 800 Baudenkmäler verschönert.
Ein großer Teil des Stiftungsgeldes fließt in private Sanierungsprojekte. Getreu dem Stiftungszweck: „Verschönerung des Stadtbildes“. Jeder kann sich mit seinem Projekt bei der Stiftung bewerben. Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder des Stiftungsvorstands und beraten, welche der eingereichten Projekte eine finanzielle Unterstützung bekommen.
Dazu gehören natürlich die denkmalgeschützten Häuser der Lübecker Altstadt. Überall auf der Altstadtinsel findet man Hinweise auf die Unterstützung der Possehl-Stiftung denn irgendwo entdeckt man meistens eine der kleinen Plaketten mit dem Hinweis auf die Hilfe der Possehl-Stiftung.
Etwa im Tünkenhagen 18 oder der Großen Altenfähre 13, An der Mauer 53 oder im Engelswisch 61 um nur einige wenige zu nennen.
Gemeinnütziges Engagement.
Emil Possehl lag das gemeinnützige Engagement sehr am Herzen und so ist es eine der Aufgaben der Possehl-Stiftung. Viele der über 300 eingetragenen gemeinnützigen Vereine Lübecks werden durch die Stiftung unterstützt. Darunter sind viele Sportvereine, die wichtige Jugendarbeit leisten.
Die Possehl-Stiftung fördert auch die Integrationshilfe, unterstützt Angebote für Migrantinnen und Migranten oder die Suchthilfe mit ihren vielfältigen Hilfsangeboten.
Sowieso ist Jugend-Förderung in den letzten Jahren mehr in den Fokus der Stiftung gerückt. Sie setzt sich dafür ein, das Lernen Spaß macht und jeder die besten Chancen auf Bildung hat. Darunter fallen auch Schulprojekte und die sogenannte Tierschutzbildung.
Das Tierheim ist dabei der Unterrichtsraum. Hier wird Wissen über Verhalten, Bedürfnisse und Biologie von verschiedenen Tierarten vermittelt. Das fördert die Akzeptanz und Toleranz gegenüber anderen Lebewesen.
Der Funke sprüht.
Schon zu Lebzeiten hat Emil Possehl als Geldgeber für das Grundstück des Theaters die Kunst und Kultur gefördert. Die Possehl-Stiftung führt das weiter und fördert nicht nur das Lübecker Theater. Musikhochschule, Schleswig-Holstein Musik Festival, zahlreiche kleinere kulturelle Initiativen und seit Beginn der Corona-Pandemie den Kulturfunken* um nur einige Projekte zu nennen.
Dem Stifter lag die Förderung des Nachwuchses besonders am Herzen. Deshalb gehört die Unterstützung der Wissenschaft zu einem der Fördergebiete. Die Lübecker Universität, die Technische Hochschule und die Musikhochschule werden in ihrer Forschung unterstützt, die wiederum das Leben der Lübecker Bürgerinnen und Bürgern bereichern.
Aber auch der Bau der Kunsthalle St. Annen konnte nur durch die Stiftung finanziert werden. 2003 schenkte die Stiftung der Hansestadt Lübeck die Kunsthalle für die Ausstellung moderner Kunst. Die Kunsthalle St. Annen nimmt den Grundriss der dort abgebrannten Kirche des St. Annen-Klosters auf und bezieht die erhaltenen Überreste mit in die Architektur ein.
Forschung und Geschichte.
Das 2015 eröffnete europäische Hansemuseum ist ebenfalls ein Projekt der Possehl-Stiftung. Ein beeindruckender Ort, der die Geschichte der Hanse sehr anschaulich zeigt. Faszinierende Rauminszinierungen und wertvolle Originalobjekte machen die Hanse greifbar.
Der Bau schmiegt sich an den Stadthügel und bezieht die Stadtgeschichte sowohl in den Bau als auch in die Ausstellung mit ein.
Das neueste Projekt der Possehl-Stiftung heißt KOLK 17. Das Figurentheater und Museum bekommt eine komplette Überarbeitung, um die einzigartige Sammlung von Theaterfiguren, Plakaten und Requisiten aus Asien, Europa und Afrika zeigen zu können.
Das Theater zeigt Spielarten des modernen Figurentheaters aus Marionetten, Tisch- und Stabfiguren, Schattentheater und Trickfilm. Eröffnet werden die sanierten oder komplett neu errichteten Gebäude voraussichtlich 2023 im Herzen der Stadt unterhalb der St. Petrikirche.
Was wäre Lübeck ohne seine Stifterinnen und Stifter?
Seit Beginn der Stadtgeschichte im 13. Jahrhundert tun die wohlhabenden Bürgerinnen und Bürger ihrer Stadt Gutes. Davon profitiert Lübeck auch heute noch auf vielfältige Art und Weise. Denn die vielen Gänge und Höfe entstanden nur, weil der Wohnraum in der Stadt knapp wurde und die Hausbesitzer ihre Häuser öffneten, um in ihren Höfen Menschen leben zu lassen. Zugegeben waren die Bedingungen alles andere als gut und selbstverständlich wurde dafür Geld verlangt, aber sie boten sichern Wohnraum innerhalb der Stadtmauern.
Die vielen Stiftshöfe entstanden, um Schiffer- und Kaufmannswitwen oder unverheiratete junge Mädchen bis an ihr Lebensende versorgt zu wissen. Auch das Heiligen-Geist-Hospital diente der Versorgung von alten und kranken Menschen seit 1276.
Einige der Stiftshöfe gehen heute noch ihrem Stiftungszweck nach und die rund 100 Gänge sind heute beliebte Wohnquartiere. Sie machen einen großen Teil des Charmes dieser wundervollen mittelalterlichen Stadt aus.
Ohne die Menschen, die ihr Geld für Gutes und Schönes eingesetzt haben, wäre diese Stadt nicht das, was sie heute ist. Und noch immer tun die Stiftungen ihren guten Zweck, erfüllen Wünsche und helfen dabei, Gutes zu tun.
Als geborene Lübeckerin möchte ich dafür einfach Danke sagen. Toll, dass es euch gibt!
Und einen besonders herzlichen Dank an den Vorstand der Possehl-Stiftung, die das Stiftungsgeld auf so wunderbar vielfältige Art den Lübeckerinnen und Lübeckern zu Gute kommen lassen.
DANKESCHÖN!
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